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Grundlagen

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Grundlagen

Formbau Betonungen Zäsuren Reime

Metrum und Rhythmus

Zwischen Metrum und Rhythmus muß unterschieden werden, letzterer ist die konkrete Behandlung der metrischen Vorlage. Eine Übereinstimmung von Metrum und Rhythmus ist eher ein Zeichen schwächerer Verse:

Metrum = Rhythmus = leiern

Der Rhythmus äußert sich u.a. auch in der Selbständigkeit der Kola gegenüber dem Metrum und in der spezifischen Verwendungen der Haupt- und Nebenbetonungen, drei Beispiele für identische Metren aber verschiedene Rhythmen:

 Bei stiller Nacht, zur ersten Wacht
 Hans Adam war ein Erdenkloß
 Verschneit liegt rings die ganze Welt

siehe auch: Wortfuß
Vorschlag von Martin Hoffmann zur Notation
Zur Problematik von "Gedichten" in unmgebundener Rede, siehe die
Notiz am Rand die Christoph Ransmayr seinem Roman Der fliegende Berg vorangestellt hat.

Grundsätzliches zum Formbau

Sind alle Verse eines Textes durch dieselben Regeln bestimmt und gibt es keine Regeln für bestimmte Versgruppen, ist der Text stichisch. (Hexameterepos, Blankversdrama)

Gliedert sich der Text außer in Verse auch in Versgruppen für die es eigene Regeln gibt, dann ist er strophisch.

Gibt es Regeln für den Text als ganzen (z.B. bestimmte Vers- oder Strophenzahl) dann ist er global geordnet (z.B. Sonett oder Sestine)

Wird im Innern eines Verses eine sytaktische Grenze verlangt, dann ist der Vers durch eine Zäsur gegliedert.
(Ein syntaktischer Einschnitt, der vom Metrum nicht verlangt wird, sollte nicht als Zäsur bezeichnet werden.)

Sind die Verse nach Größe derart geordnet, daß sie sich als Kombination gleichförmiger Silbengruppen auffassen lassen dann sind sie nach Füßen geordnet (z.B. Blankvers in 5füßigen Jamben, nicht aber der Stabreimvers, der nur die Hebungen regelt.)

Die metrischen Regeln sind Normen und gelten auch im Falle ihrer Verletzung; die Abweichungen klären sich aus "höheren Rücksichten" und werden über metrische Lizenzen geregelt: - und so gibt es Lizenzen in jeder Zeit (z.B. der unreine Reim in der Volkslieddichtung (nicht aber im Sonett) der Goethezeit). Abweichungen darüberhinaus müßten sich, um nicht einfach Fehler zu sein, aus sich selbst erklären.

In der Versbildung (und Betrachtung) gibt es 3 Arten der Versifikation:

  • a nach Silben gezählt
  • b nach Größen geordnet (betont und unbetont z.B.)
  • c nach Reimen gebunden

Und so gibt es also 7 Metrik-Typen:

    a  b  c
 1  +  -  -
 2  -  +  -
 3  -  -  +
 4  +  +  -
 5  +  -  +
 6  -  +  +
 7  +  +  +

Für alle Typen (außer dem 1.) gibt es Beispiele in der deutschen Literatur. Die rein silbenzählenden Verse sind nach der Opitzschen Alternationseinführung praktisch verschwunden.

Martin Opitz, Buch von der deutschen Poeterei (1624) - eine Wendung in der deutschen Versgeschichte:

einerseits: lediglich Alternation zugelassen (also nur Jamben und Trochäen) - das allerdings erledigt sich schnell.
andererseits: Forderung nach Übereinstimmung von Wort- und Versakzent.
Trotz aller Enge schafft Opitz damit die Voraussetzung für die Entwicklung der "dt. Verskunst" (nachdem seine eigene Sturheit überwunden wird - Harsdörffer gehört hierhin mit seinem "Poetischen Trichter" und Hofmannswaldau).

Weckherlin kann als Antipode Opitz' angesehen werden, er vertritt das romanische Versprinzip (Ausdrucksrhythmik - freie Hebungsverteilung) - allerdings hat Opitz zunächst "gewonnen".

Klopstock unterscheidet zwischen Vers- und Wortfuß - der Versfuß ist abstraktes Schema, der Wortfuß wird gehört.

 Schrecklich erscholl der geflügelte Donnergesang in der Heerschar
 6 Versfüße: 5 Daktylen 1 Trochäus
 4 Wortfüße:
 - , , -    Choriambus
 , , - , ,  Pyrrichius, Daktylus
 - , , -    Choriambus
 , , - -    steigernder Jonikus

Klopstock steht für die Auflösung des alten Ordnungsdenkens durch Hinwendung zu den antiken Metren und Gattungen - die er dann selbständig weiterentwickelt. Hölderlin ist strenger in der Verwendung der antiken Metren. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung sind die Polymeter Jean Pauls, er gibt auch, z.B. in den Flegeljahren nach Klopstockschen Vorbild, zuerst das Metrum an, Jean Paul nennt den Polymeter auch Streckvers "Gedichte nach einem freien Metrum, so nur einen einzigen (...) Vers haben, den der Dichter beliebig verlängert, seitenbogenlang."

Der Taktbegriff kann helfen, z.B. Pausen zu markieren\\ - bei Versen mit Füllungsfreiheit ist es besser in Takten, denn in Füßen zu denken.

 Komm lieber Mai und mache
 die Bäume wieder grün

 ~ - , - , - , (-)
 , - , - , - (, -) (das heißt Katalexe, - es fehlt etwas am Schluß)

Das Gedicht ist ein "doppeltes Kontinuum" - in Sätze und in Verse geteilt.

Betonungen

 Betonungswerte:

 , unbetonte Silbe 
 ; auf die vorangegangene (Him-mel) oder 
 . nachfolgende (Ge-sicht) Hebung bezogen
 , auch als abstrakte Senkung, wenn nicht differenziert werden soll
 - betonte Silbe
 ~ als schwebende Betonung (Angleichung von Hebung und Senkung)

die klassischen Kombinationen:

 , -    Jambus
 - ,    Trochäus
 , , -  Anapäst
 - , ,  Daktylus

 auch:

 - -     Spondäus
 , - ,  Amphibrachus (sie nahen, sie kommen - häufig statt der Daktylen)

 und

 , , ,  Tribrachus

 x      als isolierte Betonung

Der Unterschied zwischen Jambus und Trochäus ist sehr schön im nachfolgenden Beispiel von Conrad Ferdinand Meyer zu sehen:

 Zu Walde flücht ich, ein gehetztes Wild,
 Indes der Abendhimmel purpurn quillt,
 Ich lieg und keuche. Zu mir rinnt herein
 Ein stilles Bluten über Moos und Stein.

und in der Umarbeitung

 In den Wald bin ich geflüchtet
 Ein zu Tod gehetztes Wild,
 Da die letzte Glut der Sonne
 Längs der glatten Stämme quillt.

 Keuchend lieg ich. Mir zu Seiten
 Blutet, siehe, Moos und Stein -
 Strömt das Blut aus meinen Wunden?
 Oder ist's der Abendschein?

Fußmetrische Beschreibungen gelten nicht für Verse, die nur nach Hebungen gezählt werden.

Versübergänge,die die Hebung-Senkungs-Folge über die Versgrenze hinaus fortsetzen heißen gefugt (ungefugt im anderen Fall). Tonbeugung: Das Metrum diktiert eine Betonung wo normalerweise keine ist. Zäsuren und Übergänge

Ein Hiatus ist das Zusammentreffen eines auslautenden Vokals mit dem Anlautvokal des folgenden Wortes: "nah am"

Beim enjambement (auch zwischen Strophen) gibt es harte und glatte. Das harte trennt Syntagmen (grammatisch und logisch eng verbundene Wortgruppen, - Adjektivattribut+Substantiv z.B. oder Subjekt und Prädikat) Es gibt auch "morphologische enjambements" - Trennung eines Wortes an der Versgrenze.

Das enjambement dient entweder der Betonung, der Aufladung (wie z.B. bei Hölderlin):

 Die Liebenden aber
 Sind, was sie waren; sie sind
 Zu Hause, wo die Blume sich freuet...

oder aber - ganz im Gegenteil - zum Überspielen des Versendes, um den Rhythmus fließend zu erhalten (wie beim jungen Rilke z.B., der ältere Rilke, wie in den Elegien, wendet sich zu Hölderlin zurück)

Zäsuren innerhalb eines Verses sind auch glatt oder hart. Harte Fügungen sind z.B. innerhalb eines Verses ein Satzende und der Beginn eines neuen.

Eine vom Metrum geforderte Zäsur gibt es z.B. im Alexandriner :

 12-13 Silben, abhängig von der Kadenz

 , - , - , - | , - , - , -(,)

 du sihst wohin du sihst, nur Eitelkeit auf Erden (Gryphius)

 (Mit dieser Mittelzäsur wird gerne auch verschleiernd gearbeitet)

Ein ganz besonderes Beispiel stammt von Laurentius von Schnüffis (1633-1702, d.i. Johann Martin) - wenn man die Halbverse auseinandernimmt ergibt sich ein anderer Sinn, als wenn man sie zusammenlässt:

 Glückseelig wer ich ja
 Wann ich dein eigen wer
 Ach schönste Sylvia
 Der ist glückseelig sehr
 Den dein Gunst bestrahlt
 Der wird mit Gold bemahlt
 Drumb hast O Schäfferin
 Mein Herze Lieb und Sinn

 Wann du mich wurdest hassen
 Müsst ich mein Leben lassen
 O schandlich Crocodil
 Der dich nicht lieben will
 Der ligt in Finsternüssen
 Der nichts von dir will wissen
 Bey mir noch platz noch statt
 Ein ander Hirtin hat.

 Glückseelig wer ich ja    wann du mich wurdest hassen
 Wann ich dein eigen wer   müsst ich mein Leben lassen
 Ach schönste Sylvia       O schandlich Crocodil
 Der ist glückseelig sehr  der dich nicht lieben will
 Den dein Gunst bestrahlt  der ligt in Finsternüssen
 Der wird mit Gold bemahlt der nichts von dir will wissen
 Drumb hast O Schäfferin   bey mir noch platz noch statt
 Mein Herze Lieb und Sinn  ein ander Hirtin hat.

siehe auch: Hexa-+Pentameter

Reimstrukturen

Endreime:

 Paarreim     aabb
 Kreuzeim     abab (axax halber Kreuzreim)
 Blockreim    abba
 Haufenreim   aaa...bbb...
 Schweifreim  aabccb (Unterbrechung zweier Paarreime durch einen dritten)

 Kettenreim   das Wort am Zeilenende und ein Wort im Innern der folgenden
              Zeile sind durch Reim verbunden:
              Beispiel von Fr. Schlegel:
              "Wenn langsam Welle sich an Welle schließet
              Im breiten Bette fließet still das Leben
              Wird jeder Wunsch verschweben in den einen"

 Waisen   nichtgereimte Verse
 Körner   Verse die sich erst in einer anderen Strophe reimen

männliche Reime einsilbig, betont
weibliche Reime Senkung am Ende
(die Bezeichnung kommt aus Frankreich: grand - grande z.B.)

Assonanzen: Gleichklang nur der Vokale in den betreffenden Worten:
Tisch - ritt - still
sangbar - sattsam - Waldnacht

Stabreim (Alliteration): Weiche Wotan
unreiner Reim: ungefähre Übereinstimmung
erweiterter Reim: identische Wörter
grammatische Reime
reiche Reime (Kinderglück/Finderglück)
Schüttelreim (chiastische Stellung der anlautenden Konsonanzen)

Der Reim als Argument: "Heute rot, morgen tot", die Form, die den Inhalt schafft.

"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es"

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